Montag, 4. Februar 2013

Geschichte


Hey,

heute gibts eine Geschichte von unserer Leserin und meiner lieben Freundin Carmen :)
 

Es ist Jahrmarkt. Die Buden erleuchten die beginnende Nacht und der Duft nach Bratwurst und gebrannten Mandeln liegt in der Luft. Quer über den Plätz hört man die Verkäufer ihre Ware anpreisen, Leute auf den Achterbahnen schreien und Kinder auf den Karussellen fröhlich jauchzen. Die Nacht ist klar und angenehm, eine fantastische Sommernacht. Ich schlendre über den Platz, schaue hier und da, was verkauft wird und überlege mir, ob ich nicht vielleicht doch in einer Bude einen Teddy schießen sollte, oder ob nicht vielleicht eine Bratwurst oder eine heiße Waffel mit Puderzucker genau das Richtige wäre. Ich habe mir nur genug Geld mitgenommen für die Fahrkarte und zwei Euro mehr. Jetzt stehe ich unschlüssig vor dem Plan des Platzes und schaue mir die munteren Familien an, die von den Kindern an der Hand nach vorne gezogen werden, in Richtung der vielen Lichter, Gerüche und Verheißungen. Ich habe schon den einen oder anderen aus der Schule getroffen, aber die geben sich nicht mit mir ab, und ich mich auch nicht mit ihnen. Ich schaue nach ob. Das Riesenrad steht direkt vor mir. Ob ich mir eine Fahrkarte für eine Sicht über die mir so bekannte Stadt kaufen soll? Ich kenne die Stadt zwar schon, aber von oben sieht es sicherlich wundervoll aus, ein Lichtermeer voller Menschen, die durch die Straßen wuseln, die meisten auf mich zu, ein paar wenige schon aus dem Getümmel raus. Ich könnte auch einfach wieder nach Hause gehen. Nach einem letzten Gang durch all die kleinen Gassen. Ich mache mich also wieder auf den Weg zu den kleinen Buden, die Bonbons, Zuckerwatte, Mandeln und Erdnüsse und diverse kleine Anhänger, Traumfänger und Skulpturen verkaufen. Plötzlich stehe ich vor einem Wagen mit der Aufschrift: Fortuna. Eine Wahrsagerin. Ob ich es wirklich wagen sollte dort hinein zu gehen? Ich glaube nicht daran, also drehe ich mich um und schlendere zwischen zwei Würstchenbuden in eine kleine Gasse, noch kleiner und Enger als die zuvor. Ich habe sie vorhin gar nicht bemerkt. Es führt hinter all die Buden und mitten in der Mitte steht ein kleines Karussell. Es ist eines mit den Stühlen, die an Ketten von der Decke hängen und wo man in der Schaukel durch die Luft saust. Es ist Hellblau und an den Ketten hängen verschiedene Luftballons in den buntesten Farben. Aus dem Führerhäuschen dringt leise Musik, ein klassisches Stück. Der Ursprung dieser Musik ist eine kleine Kastenorgel im Häuschen selber, vor der ein kleiner alter Mann steht, der sie spielt. Das Karussell ist nicht im Betrieb, ganz so als hätte es auf jemanden gewartet. Als hätte es auf mich gewartet. Ich gehe langsam auf das Karussell zu und sehe mich um. Ganz hinten bei einem der Korbstühle steht ein Junge, etwa in meinem Alter, wenn nicht gar älter. Er streicht nahezu zärtlich mit einem Lappen über die Stühle und summt leise zur Musik, während er die Stühle putzt. Ich gehe auf ihn zu und frage ihn, ob das Karussell heute noch fahren würde. Er lacht. „Das Karussell fährt immer. Dann wann du willst. Ich bin vorhin schon gefahren, jetzt darf ruhig jemand anders. Es fühlt sich an wie fliegen.“ Er lächelt verträumt und geht dann zu der Fahrerkabine, wo er den Lappen verstaut. Dann kommt er wieder auf mich zu, hält mir die Hand hin und fragt: „Willst du auch fliegen?“ Ich nicke, nehme seine Hand und lasse mich zu einem pastellgrünen Stuhl führen. Er hilft mir mich anzuschnallen und schon kurz darauf hebt sich das Karussell in die Lüfte und dreht sich. Immer schneller dreht es sich und ich nehme nur noch verschwommen all die Lichter um mich herum wahr. Die Musik, die verschiedenen Geräusche sind völlig unwichtig geworden. Das einzige, was zählt, ist das Gefühl des Schwebens. Wahrlich, es fühlt sich an wie fliegen. Als ich wieder festen Boden unter den Füßen habe, schließe ich kurz die Augen und atme tief ein. Ich fühle mich so frei und unbeschwert wie schon lange nicht mehr. Als ich die Augen wieder öffne, ist das Karussell verschwunden. Nur der alte Mann mit der Kastenorgel steht noch da und spielt sein Lied. Ich gehe auf ihn zu, lege ihm meine restlichen Münzen in den Hut, winke zum Abschied und nehme den Bus nach Hause. In der Nacht träume ich davon, über die Dächer der Stadt zu fliegen und neben mir, fliegt der Junge vom Karussell.


Die Geschichte hat keinen Titel und wird auch in einem Block gelesen, weil es sich um eine reine Gedankenabfolge handelt.
 

2 Kommentare:

Kim hat gesagt…

Mir gefällt sie sehr, sie bringt einen irgendwie auch zum Nachdenken :)

gzg hat gesagt…

Wow, eine echt toll gelungene Geschichte.. Es ist wie ein Traum und vor allem wie du alles beschreibst.. *-* Toll gemacht :)