Hey,
heute gibts eine Geschichte von unserer Leserin und meiner lieben Freundin Carmen :)
Es ist Jahrmarkt. Die Buden erleuchten die beginnende Nacht
und der Duft nach Bratwurst und gebrannten Mandeln liegt in der Luft. Quer über
den Plätz hört man die Verkäufer ihre Ware anpreisen, Leute auf den
Achterbahnen schreien und Kinder auf den Karussellen fröhlich jauchzen. Die
Nacht ist klar und angenehm, eine fantastische Sommernacht. Ich schlendre über
den Platz, schaue hier und da, was verkauft wird und überlege mir, ob ich nicht
vielleicht doch in einer Bude einen Teddy schießen sollte, oder ob nicht
vielleicht eine Bratwurst oder eine heiße Waffel mit Puderzucker genau das
Richtige wäre. Ich habe mir nur genug Geld mitgenommen für die Fahrkarte und
zwei Euro mehr. Jetzt stehe ich unschlüssig vor dem Plan des Platzes und schaue
mir die munteren Familien an, die von den Kindern an der Hand nach vorne
gezogen werden, in Richtung der vielen Lichter, Gerüche und Verheißungen. Ich
habe schon den einen oder anderen aus der Schule getroffen, aber die geben sich
nicht mit mir ab, und ich mich auch nicht mit ihnen. Ich schaue nach ob. Das
Riesenrad steht direkt vor mir. Ob ich mir eine Fahrkarte für eine Sicht über
die mir so bekannte Stadt kaufen soll? Ich kenne die Stadt zwar schon, aber von
oben sieht es sicherlich wundervoll aus, ein Lichtermeer voller Menschen, die
durch die Straßen wuseln, die meisten auf mich zu, ein paar wenige schon aus
dem Getümmel raus. Ich könnte auch einfach wieder nach Hause gehen. Nach einem
letzten Gang durch all die kleinen Gassen. Ich mache mich also wieder auf den
Weg zu den kleinen Buden, die Bonbons, Zuckerwatte, Mandeln und Erdnüsse und
diverse kleine Anhänger, Traumfänger und Skulpturen verkaufen. Plötzlich stehe
ich vor einem Wagen mit der Aufschrift: Fortuna. Eine Wahrsagerin. Ob ich es
wirklich wagen sollte dort hinein zu gehen? Ich glaube nicht daran, also drehe
ich mich um und schlendere zwischen zwei Würstchenbuden in eine kleine Gasse,
noch kleiner und Enger als die zuvor. Ich habe sie vorhin gar nicht bemerkt. Es
führt hinter all die Buden und mitten in der Mitte steht ein kleines Karussell.
Es ist eines mit den Stühlen, die an Ketten von der Decke hängen und wo man in
der Schaukel durch die Luft saust. Es ist Hellblau und an den Ketten hängen
verschiedene Luftballons in den buntesten Farben. Aus dem Führerhäuschen
dringt leise Musik, ein klassisches Stück. Der Ursprung dieser Musik ist eine
kleine Kastenorgel im Häuschen selber, vor der ein kleiner alter Mann steht,
der sie spielt. Das Karussell ist nicht im Betrieb, ganz so als hätte es auf
jemanden gewartet. Als hätte es auf mich gewartet. Ich gehe langsam auf das
Karussell zu und sehe mich um. Ganz hinten bei einem der Korbstühle steht ein
Junge, etwa in meinem Alter, wenn nicht gar älter. Er streicht nahezu zärtlich
mit einem Lappen über die Stühle und summt leise zur Musik, während er die
Stühle putzt. Ich gehe auf ihn zu und frage ihn, ob das Karussell heute noch
fahren würde. Er lacht. „Das Karussell fährt immer. Dann wann du willst. Ich
bin vorhin schon gefahren, jetzt darf ruhig jemand anders. Es fühlt sich an wie
fliegen.“ Er lächelt verträumt und geht dann zu der Fahrerkabine, wo er den
Lappen verstaut. Dann kommt er wieder auf mich zu, hält mir die Hand hin und
fragt: „Willst du auch fliegen?“ Ich nicke, nehme seine Hand und lasse mich zu
einem pastellgrünen Stuhl führen. Er hilft mir mich anzuschnallen und schon
kurz darauf hebt sich das Karussell in die Lüfte und dreht sich. Immer
schneller dreht es sich und ich nehme nur noch verschwommen all die Lichter um
mich herum wahr. Die Musik, die verschiedenen Geräusche sind völlig unwichtig
geworden. Das einzige, was zählt, ist das Gefühl des Schwebens. Wahrlich, es
fühlt sich an wie fliegen. Als ich wieder festen Boden unter den Füßen habe,
schließe ich kurz die Augen und atme tief ein. Ich fühle mich so frei und
unbeschwert wie schon lange nicht mehr. Als ich die Augen wieder öffne, ist das
Karussell verschwunden. Nur der alte Mann mit der Kastenorgel steht noch da und
spielt sein Lied. Ich gehe auf ihn zu, lege ihm meine restlichen Münzen in den
Hut, winke zum Abschied und nehme den Bus nach Hause. In der Nacht träume ich
davon, über die Dächer der Stadt zu fliegen und neben mir, fliegt der Junge vom
Karussell.
Die Geschichte hat keinen Titel und wird auch in einem Block gelesen, weil es sich um eine reine Gedankenabfolge handelt.
2 Kommentare:
Mir gefällt sie sehr, sie bringt einen irgendwie auch zum Nachdenken :)
Wow, eine echt toll gelungene Geschichte.. Es ist wie ein Traum und vor allem wie du alles beschreibst.. *-* Toll gemacht :)
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